11:9 das Finower Interview mit Marcus Pauli

Tatsächlich gab es schon vereinzelte Anfragen ob es denn im Oktober gar kein Finower Interview gibt. Durch die aktuellen Ereignisse ist dieses tatsächlich etwas in den Hintergrund geraten, doch ganz vergessen habe ich es natürlich nicht. Und so bin ich froh das ich zwar nicht ganz pünktlich, doch dafür ein umso ausführlicheres Interview mit Marcus Pauli präsentieren kann:

Hallo Marcus, schön dass du dir für das Interview Zeit nimmst.

1. Frage:
Wie mir bekannt ist, bist du erst relativ spät zum Tischtennis gekommen. Für einen aus der TT-Verrückten Pauli/Kirsten Familie recht unüblich. Verrate uns doch mal bitte, wie du zum Tischtennis gekommen bist und wie du letztendlich doch noch mit einer ganz passablen Spielstärke hier bei uns in Finow gelandet bist.

Ein Bild vom traditionellen Familien Osterturnier 2019.

Marcus:
Seit vielen Jahren veranstalten wir immer zu Ostern ein TT Turnier mit der Familie. Vor genau 7 Jahren, im Jahr 2013, spielte ich als völliger Tischtennis Neuling gegen meinen Onkel Bernd, der natürlich keine große Anstrengung brauchte, um gegen mich klar und deutlich zu gewinnen. Am Abend nach dem Turnier beim Bier besprachen wir in großer Runde die Ergebnisse. Bernd belächelte mich etwas, was mich anspornte Ihn irgendwann mal zu zeigen, dass ich auch gegen Ihn gewinnen kann. Nach dem zweiten Bier kam dann die Ansage: „Gib mir ein Jahr und ich gewinne gegen Dich!“ Großes Gelächter entfachte sich, was mich zusätzlich anspornte. Kommendes Wochenende ging es zurück in die Wahlheimat. Sofort war ich auf der Suche nach einem Coach bzw. Trainer. Ich hatte Glück, im Nachbarort lebte der Spieler Ding Yi, welcher viele Jahre die Nummer 1 in Österreich war und in den 90iger Jahren auch in der Deutschen Bundesliga aufschlug. Er trainierte mit mir sehr intensiv, bis zum nächsten Osterturnier 2014. Ich hatte leider erneut nicht den Hauch einer Chance! Ich musste lernen, dass Tischtennis nicht in einem Jahr gelernt werden kann. Einen Vorteil hatte es jedoch, ich war noch immer unheimlich motiviert und konnte nicht aufhören zu trainieren bzw. zu spielen. Später kam ein weiterer Trainer hinzu, Michal Kubat mit dem ich unter anderem im gleichem Club TTC St. Gallen spielte. Auch bei Michal konnte ich viel lernen. In den letzten Jahren konnte ich dann das gelernte in Turnieren und Mannschaftskämpen festigen.
Mittlerweile lebe ich wieder in Deutschland und habe mich sehr gut eingelebt. Das ich beim TTC Finow gelandet bin, ist natürlich keine Überraschung. Schließlich spielen 7 Familienmitglieder von der 1. bis zur 10. Mannschaft im Verein.

2. Frage:
Was waren damals, also 2017, deine ersten positiven sowie negativen Eindrücke von unserem Verein?

Marcus:
Ich kam aus einem ähnlich großen Verein, deshalb waren die Vorteile nicht sehr gravierend. Der Vorteil wird erst jetzt erkennbar, denn wir haben Dank unseres Hauptsponsors WHG, Zutritt zur Halle wann immer wir wollen. Auch der Zusammenhalt am Abend beim Training ist schwer zu finden.

3. Frage:
In deiner 1. Saison bei uns hast du zusammen mit deinem Vater, Cousin und Onkel in einer Mannschaft gespielt. Wie war für dich diese Erfahrung, die bisher sicherlich nur ganz wenige TT-Spieler machen durften?

Marcus:
Das war der Grund, warum ich damals schon vor meinem Umzug wechselte. Es war ziemlich anstrengend. Durch eine weite Anreise musste ich Flüge schon im Voraus buchen, kurzfristiges Absagen oder Verschieben war für mich kaum möglich. Die Erfahrung war wirklich toll, ich spielte mit meinem Vater zusammen Doppel, wer hätte das 5 Jahre zuvor gedacht. Mit meiner Motivation steckte ich Ihn auch vor 7 Jahren an mehr Tischtennis zu spielen.

4. Frage:
Als Kapitän gehst du mit deiner Mannschaft in diesem Jahr erstmals in der Landesliga an den Start.
Wie bist du mit dem bisherigen Verlauf der Saison zufrieden und was habt ihr euch noch für die restlichen 5 Saisonspiele vorgenommen?

Marcus:
Ja, eine wirklich starke Liga. Bisher haben wir erst 1 Spiel knapp gewonnen, zukünftig wird es auch nicht leichter, aber wir kämpfen. Klar wird das Ziel hier der Klassenerhalt sein. Wie die Saison weiter geht und welche Spiele noch anstehen bleibt abzuwarten.

5. Frage:
Wer dich besser kennt wird wissen das du Materialmäßig immer auf dem neuesten Stand bist. Wenn Butterfly einen neuen Belag rausbringt, bist du einer der ersten, der ihn auf den Schläger kleben hat.
Welche Rolle spielt für dich das Material im TT-Sport?

Marcus:
Mittlerweile spielt es keine so große Rolle mehr. Ich bin vor einigen Jahren noch auf jede Marketing Kampagne angesprungen, mittlerweile spiele ich das Super ZLC und werde nichts anderes mehr kaufen. Bei den Belägen teste ich natürlich gerne mal die Neuheiten, doch eigentlich habe ich mich auf den Tenergy 05, den ich schon seit einigen Jahren spiele, eingeschossen. Denn langsam hat es jedoch auch bei mir klick gemacht, dass meine Fehler eher an den technisch falsch ausgeführten Bewegungen, als an den Belägen liegen.

6. Frage:
Als noch relativ frischgebackener TT-Senior, hast du gleich die erste Chance genutzt und am größten Tischtennisevent Europas, der Senioren Europameisterschaft, teilgenommen. Dieses Jahr wärst du auch bei der Weltmeisterschaft am Start gewesen, wenn sie denn nicht ausgefallen wäre.
Wie war für dich der 1. Start bei so einem großen Event und warum lohnt es sich, auch wenn man nicht zu den Medaillenanwärtern gehört, zu so einem Event zu reisen?

Marcus mit einigen weiteren Finowern bei der EM 2019

Marcus:
Ja, gern wären wir in Bordeaux in Frankreich dabei gewesen. Doppel mit meinem Cousin Stephan wäre wohl eins der Highlights geworden. Besonders gefreut hat es mich jedoch, dass meine Lebensgefährtin Vinia Siegel mitgespielt hätte. Begleitet hatte Sie uns schon zur Europameisterschaft in Budapest, wo wir ebenfalls alle aus der Familie mitspielen konnten. Jedoch wäre es dieses Jahr nicht meine erste Senioren WM gewesen, ich konnte schon mit 39 in Alicante im Jahr 2016 mitspielen. Nach nur 3 Jahren Spielpraxis, war das Ergebnis zu dieser Zeit ernüchternd.
Wales für nächstes Jahr steht schon auf unserer Familienliste. Wäre schön, wenn es funktioniert.

7. Frage:
Bei vielen bist du als recht ehrgeiziger Sportler bekannt.
Wie sehen deine Ziele für die Zukunft aus?

Marcus:
Wirklich in mir brennt es noch, jedoch finde ich die Möglichkeiten zur großen Leistungsverbesserung hier nicht. Einen guten Privattrainer zu finden ist hier in Finow oder Umgebung extrem schwierig. Viele wollen zwar online Coachen oder Tipps geben, aber jemand der in die Halle kommt, trainiert, motiviert und auch mal bei einem Turnier zu sehen ist, ist hier schwierig zu finden. In der Schweiz hatte ich bessere Möglichkeiten. Gern würde ich an die Zeit in der Schweiz anknüpfen, nur sind die Möglichkeiten hier begrenzt. Aus diesem Grund heißt es für die Zukunft Niveau halten und Spaß haben.

Um ordentlich zu trainieren ist Marcus kein Weg zu weit. Hier ist er mit Vinia und Nino im Trainingslager in Grenzau

8. Frage:
Wie wir in deiner ersten Antwort hören konnten, bist du mit viel Einzel- und Systemtraining so gut geworden, wie du es nun mittlerweile bist.
Aktuell sieht man dich allerdings relativ selten systematisch trainieren.
Für wie wichtig siehst du das Systemtraining im Tischtennis?

Marcus:
Ich finde es sehr wichtig, ab und an, je nach Trainingspartner, spielen wir auch noch System an den Abenden in der Halle. Es ist jedoch anders, wer einmal einen guten Trainer hatte weiß genau was ich meine. Ich hatte in den ersten Jahren so meine Probleme mit der Rückhand, erst Michal zeigte mir was ich falsch mache. Hinzu kam, dass er mich eben anspornte auch eine solche Rückhand mal irgendwann so spielen zu können wir er sie spielt (Lach, dann müsste ich 130 Jahre werden). Gern würde ich wieder systematisch trainieren mit dem Charakter von vor 6-7 Jahren.

9. Frage:
Wie ich mitbekommen habe, interessierst du dich auch für das internationale Spitzentischtennis. Hast du dort einen Lieblingsspieler oder sogar ein Vorbild?

Marcus:
Ich habe wirklich großes Glück, das ich mit Vinia eine mittlerweile TT-Begeisterte Lebensgefährtin habe, mit der ich viele TT Events im In – Ausland besuchen konnte. Bremen, Düsseldorf, Magdeburg, überall machten wir uns ein schönes Wochenende mit hochklassigem Tischtennis. Tolle Momente nahmen wir in Bremen in der ÖVB Arena bei den German Open mit. Patrick Franziska gegen Xu Xin oder Timo Boll gegen Ma Long waren schon wirkliche Highlights, nicht nur spielerisch, auch die Stimmung war einfach einzigartig! Ich glaube Vorbilder gibt es viele, nicht nur im Tischtennis auch in anderen Ballsportarten. Mentale Stärke beeindruckt mich unheimlich, ich glaube da gibt es im Tennis die richtigen Vorbilder.

Im Tischtennis kann man sich von jedem Spieler wohl einiges mitnehmen, sei es Koki Niwa oder Timo Boll. Jeder hat eine besondere Stärke, die immer wieder aufs Neue fasziniert. Wenn ich jemanden nennen müsste wäre es wohl auch Simon Gauzy, ein toller Sportler, der zudem noch sehr sympathisch und authentisch rüberkommt. In Düsseldorf stand er völlig ungeniert in der Schlänge beim Catering vor uns. Auch Ma Long fuhr mit uns im gleichen Bus ins Hotel, damals noch zu den German Open in Berlin, ebenfalls sehr authentisch.

10. Frage:
Seit einigen Monaten bist du Gast in unseren Vorstandssitzungen und möchtest dich im nächsten Jahr voraussichtlich, als neuer Beisitzer zur Wahl stellen.
Was ist der Grund für dein Interesse an der Vorstandsarbeit und hast du konkrete Dinge, die du bei uns im Verein voranbringen möchtest?

Marcus:
In einem Verein gibt es genauso viel Meinungen wie es Mitglieder gibt. Zu einer Fußball WM tritt das gleiche Phänomen auf, 80 Mio. Bundestrainer und jeder weiß es besser. Ich war lange genug jemand der vieles in Frage stellte oder Kritik übte. Ich möchte nun mitwirken und mich einbringen um somit bestimmte Entscheidungen auch viel besser nachvollziehen zu können.

Voranbringen würde ich gern die Jugend, seit einiger Zeit spielt auch ein Familienmitglied bei der Jugend in unserm im Verein, mit großem Interesse verfolge ich Fortschritte und gebe Tipps. In den eigenen Reihen ist das nicht immer so einfach, viele können da mitreden, zu viel Druck, zu wenig Druck, der Spaß darf bei den Kindern nicht auf der Strecke bleiben. Komplett anders als ich es kannte Tischtennis zu spielen, da ging nur eins, Vollgas nach vorn.

Schön würde ich in unserem Verein ein angeleitetes Training finden, also einen Abend, an dem ein Trainer anwesend ist und unter Aufsicht mit Spielern System spielen lässt. Im Schweizer Club gab es die Möglichkeit für einen höheren Beitrag einen zusätzlichen Mehrwert zu bekommen. Jedoch hatte der Verein einen angestellten Trainer, dazu müssen erst einmal Gelder vorhanden sein.

11. Frage:
Wenn du eine Regel im Tischtennis ändern könntest, welche wäre das?

Marcus:
Das alle mit gleichem Material spielen.

Vielen Dank für authentischen Antworten Marcus!